Robins letzter Tag bei uns

Und nichts ist mehr, wie es war ...

Dein Platz
ist leer

noch immer
höre ich
Deine Schritte
im Flur

Deine Stimme
die mich ruft

noch immer
denke ich
bei jedem
Geräusch
an der Tür
Du kämst zurück

scheibchenweise
versuche ich
zu begreifen

nie wieder

wirst Du
auf Deinem
Platz sitzen

Dein Stuhl bleibt
leer.


Ich muss wohl am Abend vorher anfangen. Robin ging ganz normal ins Bett, wie immer. Er machte nie große Probleme. Er war ja auch nicht allein, sondern teilte sich mit seiner Schwester Alena, damals 3 Jahre alt, ein Zimmer. Sie durften vor dem Schlafengehen immer noch eine Weile im Zimmer spielen, bis ich sie dann mit einer Gute-Nacht-Geschichte ins Bett verfrachtete.


Ich weiß es noch ganz genau, daß ich auf Robins Bett lag, ihn auf dem Schoß und wir lasen das Buch

"Weißt du eigentlich wie lieb ich dich hab?"

Er war ganz bei der Sache. Wir haben noch sein Lieblingslied gesungen

"Die Sonne sagt ich will nicht schlafen gehen"

und dann habe ich ihn in seinen Schlafsack gepackt, da er keine Decke mochte.

Nachts um eins hat er dann kurz geweint und mein Mann ging zu ihm.
Robin schoß pfeilschnell aus seinem Zimmer und stürmte ins Wohnzimmer. Ich malte gerade mit Window Color und setzte ihn einfach zu mir auf den Schoß. Nach einer Weile sagte ich zu ihm, er könne ja bei mir bleiben, solle sich aber in Timmys Laufstall kuscheln und dort schlafen. Er hatte auch nichts dagegen und setzte sich dorthin, mit seinem Schmusetuch und dem Daumen im Mund. Er drückte eifrig auf Alenas Lerncomputer herum. Dann stieg er auf einmal aus dem Laufstall und lief zum Fernseher. Ganz aufgeregt patschte er immer gegen die Bildröhre und rief "Laa-Laa". Ich fragte ihn, ob er tatsächlich Fernsehen wollte und ich weiß nicht warum, ganz entgegen meiner Gewohnheiten ließ ich ihn mitten in der Nacht ein Teletubby-Video anschauen.
Ich setzte ihn zurück in den Laufstall, aber er kam immer wieder raus. Überhaupt kam er die letzten drei Nächte zu uns, um bei uns zu schlafen. Als er das 4. Mal aus dem Laufstall geklettert war, setzte ich mich halt mit ihm auf den Sofa und wir schliefen zusammen ein.

 Er schlief ganz ruhig, wachte nur mal in den frühen Morgenstunden auf und bekletterte mich, legte sich aber kurze Zeit später wieder hin.


Ich musste um 7 Uhr aufstehen und gab Tim die Flasche. Auch Alena war schon wach und Robin schlief noch ein wenig. Ich hatte zwei  Kinder schon fertig angezogen, als Robin endlich wach wurde. Er war wahnsinnig gut gelaunt, flitzte durch die Wohnung, half beim Wäsche waschen, leerte mit mir die Spülmaschine; sogar Roller fahren lernte er noch an diesem Morgen. Er jagte seine Schwester durch die ganze Wohnung, um sie immer wieder in den Arm zu nehmen. Es war der erste schöne Tag und so ließ ich Alena vom Kindergarten daheim und wollte mit den Kindern auf den Spielplatz.
Ich war eifrig am Ordnung machen und Robin wurde auf einmal müde. Er hatte sich zu Alena auf den Sofa gekuschelt, die dort mit ihren Büchern beschäftigt war. also ging ich ins Bad, um mich der Wäsche zu widmen. Plötzlich stand da ein kleines Kerlchen, das mein Bein fest umklammert hielt. Robin ließ nicht los, und so zog ich ihn bei jedem Schritt mit mir. Er lachte und rieb sich aber immer in den Augen. Dann sagte ich: "Komm Robin, wir gehen fort. Soll ich dich in den Kinderwagen setzen? Du bist ja so müde." Also nahm ich ihn auf den Arm und setzte ihn schon mal in seinen Wagen. Ich stellte die Rückenlehne in Ruheposition und er kuschelte sich gleich zurück, wieder mit seinem Schmusetuch in der Hand und dem Daumen im Mund.


Wir gingen einkaufen und Robin schaute sich an jeder Ecke noch mal um, um gleich darauf wieder die Augen zu schließen. Daheim angekommen ging ich in die Küche wegen Timmys Flasche. Ich wunderte mich über Robins komisches Atemgeräusch und lief zu ihm. Er saß ganz friedlich da, hörte sich an, als ob er schnarchte. Dabei machte er immer mit dem Mund Bewegungen, als ob er schnullern würde, aber ohne Schnuller im Mund. Ich fasste seine Hand an, und er hat sich kurz gedreht und mich angeschaut, dann hat er meine Hand losgelassen und sein Schmusetuch fiel auf den Boden. Ich habe mich gewundert, aber ich glaube, dieses Atemgeräusch war weg und mir kam gleich in den Kopf "Robin ist ja schon fast 2 Jahre alt, da kann er hier ja gar nicht sterben, so ganz ohne Grund. Er sitzt ja nur in seinem Wagen und schläft, also lasse ich ihn doch weiterschlafen."

Ich fühlte mich wirklich beruhigt. Also ging ich ins Wohnzimmer.

10 min. später, ich stand gerade in der Küche, durchfuhr es mich wie ein Blitz:

Robin!

Ich rannte sofort zu ihm, rief ihn, fasste ihn an - nichts. Keine Reaktion. Ich fasste ihm an den Kopf - eiskalt! Dann wieder an die Hand, dann erinnerte ich mich zu wissen, daß man bei so kleinen Kindern oft keinen Puls fühlte, also legte ich meine Hand auf seinen Brustkorb - er bewegte sich nicht. Ich zwickte ihn - nichts. Da hob ich ihn hoch und sein Köpfchen fiel gleich zurück. Mit Robin auf dem Arm rannte ich zum Telefon. Ich rief den Notarzt und meinen Mann an, dann legte ich ihn auf den Boden, Alena hatte ihm eine Decke hingelegt und ich versuchte ihn wiederzubeleben. Ich wusste nicht, soll ich mich jetzt um Robin kümmern, oder soll ich dafür sorgen, daß Alena nicht mitbekam, daß ich hier versuchte, meinen kleinen Sohn, ihren Bruder,  zurück ins Leben zu holen. Ich entschied mich für Robin, obwohl ich schon wusste, das es umsonst wäre, aber ich glaubte an ein Wunder, wenigstens an ein ganz kleines Wunder.
Die Rettungssanitäter kamen schon nach 5 min. Man schnitt seine Kleider auf, und versuchte ihn zu beatmen. Ich lief in der Zwischenzeit auf die Straße, um den Notarztwagen abzupassen. Er stieg in den Aufzug ( welche Ruhe er hatte) und erzählte ihm alles, was ich gemacht und beobachtet hatte. An die Wand gelehnt betrachtete ich das Geschehen. Ich sah auf den Monitor, der immer mal wieder ausschlug, um dann wieder auf eine gerade Linie zu starren. Ich dachte mir, Robin bemüh dich, ich brauche dich, was soll ich ohne dich nur tun, und wurde dann ins Wohnzimmer geschickt. Ich lief im Kreis, murmelte immer wieder "Gott nimmt mir mein Baby, Gott nimmt mir meinen kleinen Jungen" und versuchte gleichzeitig Alena Mut zu machen, daß wohl alles wieder in Ordnung käme, aber so recht glauben konnte sie das wohl auch nicht.
Ich schämte mich, daß ich nicht in der Lage war, meine Tochter etwas zu beruhigen. Also machte ich ihr den Fernseher an, damit sie vielleicht abgelenkt ist. Aber sie lief immer wieder in den Flur, um nach Robin zu sehen und wurde immer wieder weggeschickt.
Ich traute mich gar nicht nachzufragen, was mit Robin sei. Man hatte wohl 20 min. versucht ihn zurückzuholen, er hatte ein riesiges Pflaster am Hals und Blut war auf den Boden getropft. Der Notarzt sagte nur, er habe alles versucht und es täte ihm leid. Es sei nichts mehr zu machen gewesen.

Ich saß da, hatte Tim auf dem Arm und er fragte mich zu Robins Anamnese. Er war ein Frühchen, war intubiert, hatte bis er 6 Mon. alt war, einen Atemüberwachungsmonitor.
Der Kinderarzt wollte ihn nicht mal als Riskiokind sehen. Dann kam endlich mein Mann und es gab für uns das gesamte Programm, Streifenpolizei, Kripo, Pfarrerin. Wir hielten für Robin eine kleine Trauerfeier ab, zündeten seine Taufkerze an und beteten. Er wurde gesegnet und dann legte der inzwischen eingetroffene Bestatter ihn in seinen Sarg.
Er hatte zum Glück einen weißen Sarg mitgebracht und musste nicht in so einer Blechkiste liegen. Ich legte Robins Schmusetuch dazu und der Sarg wurde verschlossen. Ich höre heute noch das Geräusch der, Schrauben, als der Sarg zugemacht wurde. Dieses Quietschen, das so viel Endgültigkeit in sich hatte.Und ich fühle noch immer die Kälte an meiner Hand, als ich über Robins kalten Kopf strich und ihm meine Tränen wegwischte.

Aufgrund der Informationen durch Robins Kinderärzte, verzichtete der Staatsanwalt auf die Anordnung einer Obduktion, obwohl wir zugestimmt hatten. Der Grund für Robins Tod war SIDS - hervorgerufen durch ein in der Anamnese bekanntes Schlaf-Apnoe-Syndrom.
Auf einmal war es bekannt, daß Robin Atemprobleme hatte. Als ich dies erwähnte, glaubte mir niemand. Als ich dies erwähnte, hielt man mich für ängstlich.

Robin, warum nahm mich niemand ernst?

 Warum musstest Du so früh von uns gehen?

 Du warst es wert, so sehr geliebt zu werden. Du warst der beste Sohn, der beste Bruder, den man sich wünschen kann.
Du bist es wert, daß diese endlos schmerzhafte Trauer geblieben ist an Deiner Stelle.
Wir werden Dich immer in unseren Herzen tragen und warten auf ein Wiedersehen.

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